Rezeptionsgeschichte

Im Zuge der rasanten technischen und sozialen Entwicklung erwuchs an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein konservativer Aufbruch. Tavel traf mit seinen historischen Romanen diesen Nerv der Zeit. In Bern stellte er zusammen mit Otto von Greyerz, Emanuel Friedli, Carl Albert Loosli, Simon Gfeller und dem Buchillustrator und Maler Rudolf Münger einen Stützpfeiler der in diesen Jahren aufblühenden sogenannten ersten Mundartbewegung dar.

 

Tavels Bücher waren über seinen Tod und weit über den Kanton Bern hinaus erfolgreich, besonders im städtischen Bildungsbürgertum. Die verkauften Exemplare gingen nämlich in die Hunderttausende, was eine grosse Leistung für einen Mundartautor bedeutet. So prägte er denn auch in breiten Volksschichten das Bild des Alten Bern.

 

In der Zeit der geistigen Landesverteidigung wurde sein Werk zum Teil vereinnahmt und besass eine gewisse ideologische Vorbildfunktion.

 

Später setzte man sich allmählich auch kritischer mit Tavels literarischem Schaffen auseinander. So zielte Werner Günther 1963 auf die aristokratische Optik des Tavelschen Werkes. Dies geschah weitgehend zu Unrecht: Tavel war der eigenen patrizischen Welt gegenüber nicht unkritisch, und seine Sympathie galt im Lauf seines Schreibens immer mehr nonkonformistischen Figuren auch ausserhalb seines Standes. Ebenfalls die einfühlsam gezeichneten Hauptpersonen der beiden in hochdeutscher Sprache verfassten Romane entstammen einem nichtpatrizischen ländlichen Milieu.

 

In der Modern-Mundart-Bewegung der 60er- bis 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts gelangte die gesamte ältere Dialektliteratur mit Tavel unter den Generalverdacht von Heiler-Welt-Romantik.

 

Der gegenwärtig beste Kenner der Geschichte der bernischen Mundartliteratur, Roland Ris, setzte schliesslich den heute noch gültigen Massstab fest. Er konstatierte 1987 zwar, dass Tavel die bernische Geschichte harmonisierend darstellt. «Verschwiegen sei [aber] nicht, dass in den späteren Romanen…auch dunklere Töne auftauchen, die uns davor bewahren sollten, in von Tavel nur den höchst virtuosen Schilderer einer vergangenen Zeit zu sehen».